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Aus der Rezension von Alida Pisu, Dienstag, 24.11.2015 (Auszüge)

 

"Eine grasgrüne, schmale Mauer. Und mit der Mauer allein, die die Bühne beherrscht, ist schon viel gesagt. Schmal ist der Grat, auf dem wir wandeln. Ein falscher Schritt, und der Sturz ins Bodenlose ist die Folge...

 

Manchmal ist weniger mehr. Mit zwei Schauspielern ein Stück zu bestreiten, in dem es von unterschiedlichsten Charakteren nur so wimmelt: Kann das gut gehen? Ja, das kann es...

 

Was nun den Reiz der Knippschen Inszenierung ausmacht, ist das Spiel mit den Rollen... und es sind zwei völlig verschiedene Sichtweisen, ob ich vor einer Mauer stehe oder dahinter.

 

Prinz Friedrich von Homburg (Julian Baboi), dieser geistesabwesende Träumer, der auf einen Handschuh seiner Angebeteten, Prinzessin Natalie (Anna Möbus), so fixiert ist, dass er die Anordnung des Kurfürsten, erst auf seinen Befehl hin in der bevorstehenden Schlacht anzugreifen, nicht aufnimmt. Wie ein Fremdkörper wirkt er, der Welt fremd, aber auch sich selbst fremd. Wie gefangen in einem Raum, der jenseits von Realität liegt und angefüllt ist mit Schwärmerei und Blindheit. Gegenüber der unvermeidlichen Wirklichkeit.

 

Kein Platz also für Träumer auf dieser Welt?

 

Doch! Denn, wie gesagt, der Rollen- bzw. der Perspektivwechsel, der in der Inszenierung angelegt ist, ließe sich vielleicht so formulieren: „Ich könnte auch du sein.“ ...

 

Doch da, wo die Grenzen zwischen Ich und Du verschwimmen, wo Gewissheiten nur eine Frage des Blickwinkels sind, da ist alles möglich. Auch unerwartete und unverdiente Gnade.

 

Das Anfangsbild, in dem Friedrich auf der Mauer liegt, wird im Schlussbild wieder aufgegriffen...

 

Friedrichs Frage: „Ist es ein Traum?“, bleibt unbeantwortet. Oder vielleicht doch nicht? Das Gras ist so grün, wie die Hoffnung so grün. Und die Träumer, die Weltfremden, wenn wir sie nicht hätten, wer sollte das Gras denn dann erblühen und ergrünen lassen…"

 

 

Brigitte Schmitz-Kunkel schreibt in der Kölnischen Rundschau:

 

"'Prinz Friedrich von Homburg' gehört nicht zu den Bekannten, die man heute noch ständig auf der Bühne sieht. Joe Knipp, der ein Faible für die Träumer hat. lässt sich im Theater am Sachsenring auf Heinrich von Kleists somnambulen Helden ein. Und weil er ihn ohne Ironie oder modernisierenden Regie-Überbau zeigt, lässt sich unverhofft eine schöne Geschichte mit viel Hin und Her wiederentdecken.

 

Schon der Anfang auf der nur mit einer Rasenbank ausgestatteten Bühne ist hinreißend: Im blauen Mondenschein liegt der Prinz im Gras, und was er träumt, zeigt Julian Baboi in Zeitlupe. Dann tauscht er das Soldaten-Wams mit Anna Möbus (Bühne und die sparsam historisierenden Kostüme Hannelore Honnen und Angelika Steffentorweihen), so wird sie zum Prinzen. Traumwandlerisch sicher verwandeln sich die beiden mit wenigen Requisiten unentwegt von einer Person in eine andere."

 

Kölner Stadt-Anzeiger:

 

"Beeindruckend zu sehen, wie Anna Möbus und Julian Baboi in einem wahren schauspielerischen Kraftakt mit nur minimalen Kostümwechsel in neue Rollen schlüpfen. Vor allem das junge Nachwuchstalent Möbus überzeugt mit großer Wandlungsfähigkeit.

 

Gerade noch strahlend jugendliche Natalie, brilliert sie im nächsten Augenblick als knorrig-leutseliger Obrist Kottwitz, beide bemüht, den nun von Baboi verkörperten Kurfürsten umzustimmen. Wenn sich im Laufe des Stückes die Akteure in Allianzen finden und diese wieder aufgebrochen werden, spiegelt dies eine unsichere Welt im Aufbruch und Wandel wider, wie sie Kleist in Preußen nach den napoleonischen Kriegen angetroffen hat und wie er sie als zeitloses Gedankenspiel niederschrieb." (nor) 

(K)Ein Platz für Träumer

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